Einmal um die Welt - diesmal ostwärts
2019/2020 - Eine Kreuzfahrt mit der MS Artania
Seit gestern habe ich angefangen so eine Art Ereignis-Ticker unter der Überschrift „Aktuell: Was ist los auf der ARTANIA“ hier in den Blog zu stellen. Hier hatte ich mindestens einmal täglich, manchmal sogar stündlich, aktuelle und neue Informationen abgesetzt.
Jetzt, wo der 12. und letzte Blogeintrag fertig ist, kann ich diesen Ticker aus dem normalen Lesefluss herausnehmen, da sonst Ereignisse doppelt aufgeführt würden, einmal im Blogeintrag selbst und dann noch mal im Ticker. Aber gelöscht habe ich die Sache nicht, der Ticker ist noch unter dem Link
https://2020.pehoelzer.de/index.php/reverse/76-aktuell-was-ist-los-auf-der-artania
aufrufbar.
Jetzt ist endgültig Schluss mit der fröhlichen Kreuzfahrt. Aber da muss doch schon gestern den ganzen Tag etwas im Busch gewesen sein. Zum einen wurde gestern mit keinem Sterbenswörtchen mehr erwähnt, dass wir ja heute an der Pier Tanken wollten. Zuvor wurde uns das jeden Tag vom Kapitän bei seiner 10-Uhr-Morgenansprache erzählt.
Zum anderen wurden wir gestern stundenlang von einem Boot mit Presseleuten, erkennbar an Fotoapparaten mit sehr langen Teleobjektiven und Filmkameras, umkreist.
Wir müssen alle erst mal in den Kabinen bleiben. Dreimal am Tag dürfen wir deckweise für jeweils eine Stunde nach außen unter Einhaltung der Abstandsregel von 1,50 Meter zwischen den Personen (Ehepartner dürfen näher zusammenrücken).
Aber erst gibt es mal Frühstück in einer Lunchbox auf die Kabine. Es war nicht besonders üppig, aber was Doris besonders hart traf, es gab keinen Kaffee – ohne ist sie nur ein halber Mensch. Wir mussten uns mit stillem Mineralwasser begnügen, von dem wir gestern Abend zwei Liter in die Kabine geliefert bekamen. Schandmäuler würden jetzt behaupten, wir sitzen hier bei Wasser und Brot.
Um 11:00 Uhr waren wir dran mit unserem Hofgang. Auf Deck 4, die Rundumpromenade war sehr gut besucht, aber mit etwas Geschick konnte man durchaus den notwendigen Abstand einhalten. Anders sah es dann schon hinten am Heck an der Phoenix-Bar aus. Dort wurde Kaffee und Tee ausgeschenkt. Hier bildete sich eine Menschentraube um die Tränke, als hätte es Corona nie gegeben. Einen dabeistehenden Phoenix-Mitarbeiter schien das aber wenig zu beeindrucken.
Da aber auch auf Deck 9 am Kopernikus-Pool ebenfalls eine Kaffee- und Teestation aufgebaut war, gingen wir eben dorthin. Dort war nicht so viel los und wir bekamen unseren Kaffee ohne Gedränge.
Was uns hier oben wiederum wunderte, war ein Grüppchen, das, versammelt um einen Tisch, gemütlich eine Flasche Sekt (Hausmarke) pichelte. Dieses Grüppchen hatte allerdings seine Kabinen auf Deck 8. Hier liegen die teuren Kabinen mit den sogenannten Goldgästen, diese hatten bereits Ausgang von 10:00 – 11:00 Uhr und müssten eigentlich schon wieder in ihrer Kemenate sein, um draußen Platz für die anderen zu schaffen.
Aber wenn wir eins auf dem Schiff gelernt haben, Regeln sind dazu da, dass man sie nicht einzuhalten braucht. Um Einhaltung wird ja auch immer nur gebeten und einer Bitte muss man nicht unbedingt nachkommen. Verdammt noch mal, liebe Reiseleitung, bittet nicht nur, sondern fordert die Einhaltung der Regeln ein, gerne auch lautstark und/oder ordnet diese strikt und unmissverständlich an. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, denkt an den „Erfolg“, den Ihr jedes Mal habt, wenn Ihr freundlich bittet, keine Liegen zu reservieren. Hat das jemals schon etwas genutzt?
Wieder zurück auf Deck 4 trafen wir einen Mitarbeiter von Phoenix und berichteten von den Partisanen aus den Kabinen von Deck 8 – ja wir haben richtig gepetzt. Mehr als geheucheltes Interesse konnten wir nicht erwirken.
Es war 14:30 Uhr und wir warteten auf das Mittagessen. Ein Anruf bei der Rezeption ergab, ich solle Geduld haben und gleichzeitig wurde ich „ruhig gestellt“ mit dem Standardsatz: “Ich gebe es weiter“.
Was nicht kam, war das Mittagessen. Ich rief das von Phoenix an Bord eingerichtete Telefon für Fragen, Sorgen und Nöte an. Dort erfuhr ich, dass man gerade dabei sei, auf Deck 4, also unserem Deck, dass Essen zu verteilen.
Ein Blick in den Gang nach links – nichts; nach rechts – auch nichts.
Jetzt verstieß ich selbst gegen die Regel, die Kabine nicht zu verlassen, um Nachzuprüfen, wo sich die mobile Gulaschkanone denn nun befindet. Ich traf auf 2 Phoenixleute, die mich erst einmal (zu Recht) maßregelten. Hunger sei kein Grund, die Kabine zu verlassen. Ich erklärte, Hunger sei nicht das primäre Problem, sondern die fehlende Information, was denn jetzt eigentlich Sache ist.
Leider verstanden sie den kleinen aber feinen Unterschied nicht, obwohl man uns hoch und heilig versprochen hatte, immer transparent und zeitnah zu informieren, auch wenn es sich um schlechte Nachrichten handelt.
Nach kurzer, aber heftiger Diskussion hängten sie sich dann doch ans Telefon und erfuhren, man habe gerade mit der Verteilung auf Deck 5 begonnen. Ich hatte jetzt an drei verschiedenen Stellen drei verschiedene Auskünfte bekommen. Ich trollte mich wieder.
Zwar ist ein verspätetes Mittagessen kein Beinbruch, aber warum ist es so schwer, zu erfahren was Sache ist?
Kurz darauf erfolgte eine Durchsage durch den Kreuzfahrtdirektor. Leider habe die Crew, die das Essen austeilen sollte, Ihre Arbeit eingestellt, sodass jetzt Leute von Phoenix die Verteilung übernehmen mussten.
Jetzt verstanden wir auch halbwegs den Sinn einer Durchsage (in Englisch) des Kapitäns vor einigen Stunden, in der die Crew zu irgendetwas aufgefordert wurde. Das „Irgendwas“ konnten wir nicht genau verstehen, weil das Englisch des Kapitäns genau so schwer zu verstehen ist wie sein Deutsch.
Ein Beispiel gefällig? In den noch unbeschwerten Zeiten begann er seine morgendliche Ansprache gerne mit den Worten:
„Hier spricht euchere Kapitän. Ich hoffe, ihr hattet eine rollige Nacht.“
Man fragt sich doch zu Recht, was es den Schiffsführer angeht, ob man in der Nacht rollig ist oder nicht. Aber man muss einfach bestimmte Vokabeln lernen, um unseren guten und überall beliebten und auf Facebook gefeierten Kapitän richtig verstehen zu können.
euchere = euer
rollig = ruhig
Aber ich schweife wieder mal ab. Dass Mittagessen wurde dann so gegen halb vier geliefert und der Hoteldirektor schwang persönlich die Suppenkelle. Es gab Gulaschsuppe, die sehr gut schmeckte.
Am Nachmittag erfolgte eine medizinische Ausschiffung, die aber nicht im Zusammenhang mit Corona stünde.
Gegen 16:00 Uhr erfolgte eine Durchsage auf Englisch: „Code Mike, code Mike, …“
„Code Mike“ bedeutet medizinischer Notfall. Solch eine Durchsage ist nichts Außergewöhnliches und kommt auf jeder Reise immer mal wieder vor. Mit „Code Mike“ wird nicht nur der Arzt alarmiert, der auch rund um die Uhr per Walkie-Talkie erreichbar ist, sondern auch Ersthelfer von der Crew. In unserer derzeitigen Situation macht man sich über den „Code Mike“ aber schon mehr Gedanken.
Auch in diesem Fall war wieder eine medizinische Ausschiffung notwendig. Allerdings konnte der Patient nicht, wie sein Leidensgenosse vor wenigen Stunden, auf ein Boot umsteigen, um an Land gebracht zu werden. Auch eine Bergung mit dem Hubschrauber sei keine Alternative, so wurden wir informiert. Deshalb wurde der ARTANIA erlaubt in den Hafen von Fremantle einzulaufen und an der Pier festzumachen, um den Kranken von Bord bringen zu können. Zwei Stunden später, gegen 20:00 Uhr, wurde der Anker gelichtet, um die wenigen Seemeilen zum Hafen zurückzulegen.
Uns wurde jetzt mehrfach eingeschärft, sich nicht mehr auf dem Promenadendeck (Deck 4) zu bewegen, sobald wir in Hafennähe kämen. Man wolle nicht, dass die Behörden sehen, dass wir uns an der Reling drängen, um die medizinische Ausschiffung zu begutachten.
Die wichtigste Meldung des Tages kam bereits um 18:00 Uhr. Die australischen Behörden hatten die Erlaubnis erteilt, das wir für den Transfer zum Flughafen von Perth das Schiff verlassen dürfen. Phoenix hat 3 Flugzeuge gechartert, die uns am 28.3 (Flieger 1) und am 29.3.2020 (Flieger 2 und Flieger 3) nach Frankfurt fliegen würden.
Jeder darf dann nur einen Koffer und ein Handgepäck mitnehmen. Restliches Gepäck wird per Kurierdienst (TEfra) kostenlos nach Hause geschickt, wenn die ARTANIA wieder in Deutschland ist.
Das ist gut so, wir haben uns schon gefragt, wie wir unsere 5 Koffer plus 2 kleine Trollies bewältigen sollten. Wir selbst hatten schon vor der Reise TEfra für 3 Koffer engagiert, um bequem und mit nur leichtem Gepäck mit der Bahn von Bremerhaven nach Eschborn reisen zu können.
Das Abendessen wurde wieder von der Crew geliefert.
Der Streik war beendet, wie uns per Durchsage mitgeteilt wurde. Den Grund erfuhren wir leider nicht.
Es gab Dosenbier und eine leckere Vesperplatte, die Doris auf dem Bett vor dem Nachttisch sitzend, verspeiste. Ich selbst saß auf dem einzigen Stuhl in der Kabine am Schreibtisch.
Wir kamen uns vor wie an einem der Galaabende, die wir ja gerne mal schwänzten und uns stattdessen über den Kabinenservice etwas Rustikales bestellten.
Da wir jetzt im Hafen lagen, direkt vor den Augen der Behörden, war der tägliche Freigang gestrichen. Schließlich sollten sie erkennen, dass wir uns an die Hygieneregeln halten, auf deren Einhaltung sie streng bestanden.
Das Frühstück war noch karger als gestern.
Zwei Sandwichscheiben, dazwischen etwas Käse und Schinken, ohne Butter oder Margarine, ein süßes Teilchen, das unverpackt in der Lunchbox vor sich hin krümelte und etwas Obst. Und wieder keinen Kaffee.
Man soll ja in der Situation, in der wir uns befinden, nicht so viel meckern, aber zumindest sei angemerkt, dass man mit gutem Essen die Moral steigert. Aber da wir ja gar nicht wissen, wie die Stimmung und die Moral bei der Crew in der Küche wirklich ist, können wir auch nicht beurteilen, ob man das Frühstück etwas attraktiver hätte gestalten können. Und verhungert sind wir ja auch nicht.
Am Vormittag wurde getankt.
Ich hatte bereits erwähnt, dass uns vorgestern und gestern Boote mit Reportern umkreist haben.
Dabei hat ein Passagier von der Reling aus den Stinkefinger gezeigt. Diese Geste wurde fotografiert und prangte dann in einer australischen Zeitung. Der Kapitän ist stinkesauer.
Es wird immer wieder betont, dass die australischen Behörden uns zwar sehr entgegenkommen, damit wir nach Haue fliegen können, aber wohl gesonnen sind sie uns nicht.
Noch vor einigen Tagen war in den australischen Zeitungen zu lesen, dass der Gouverneur des Bundesstaates West Australia wetterte, die Kriegsmarine werde die ARTANIA in nicht-australische Gewässer „begleiten“. (Diesen Ton und diese Art der Sprache kennen wir in Deutschland ja auch, nur geht es da nicht um Kreuzfahrtpassagiere, sondern um Flüchtlinge und Asylsuchende.)
Deshalb war Phoenix sehr darauf bedacht, den Behörden keinerlei Anlass zu geben, ihr „Wohlwollen“ wieder zurückzuziehen.
Leider habe ich das Stinkefingerbild in der Zeitung nicht finden können. Dafür fand ich einen anderen Artikel, in dem bemängelte wurde, dass sich Passagiere ohne den notwendigen Abstand auf den Außendecks sonnten. Das zugehörige Foto wurde wohl von einer Drohne geschossen.
Am Nachmittag bekam ich einen Anruf vom Kreuzfahrtdirektor. Er war sehr aufgebracht und fragte, wie ich dazu käme, australischen Reportern Interviews und Fotomaterial zu geben.
Das Foto des Anstosses.
Ich hatte extra diese "misslungene" Aufnahme für den Facebook-Post verwendet, um keine Persönlichkeitsrechte zu verletzten.
Ich hatte zwar keine Interviews und Fotos an Zeitungen weitergegeben, allerdings auf Facebook dieses verschwommene Foto vom „Freigang“ am 26.3.2020 gepostet mit dem Kommentar, dass es einige Ignoranten an Bord gäbe. Ich hatte tatsächlich nicht bedacht, dass das Foto von Journalisten abgegriffen werden könnte – ganz klar mein Fehler.
Aber da ich Herrn Gruschka schon mal an der Strippe hatte, wollte und konnte ich ihm mal meine Sicht der Dinge um die Ohren hauen. Seine wachsweichen Bitten zum Thema Abstand halten etc. wird von Einigen nicht beachtet, denn es ist ja nur eine freundliche unverbindliche Bitte. Und verdammt noch mal, er und seine Leute müssen dann auch dafür sorgen, dass die Ignoranten mal etwas härter angefasst werden, durchaus mit einem raueren Ton.
Bei der Menschentraube an der Kaffeeausgabe stand ein Phoenix-Mitarbeiter dabei. Warum ist er nicht eingeschritten? Die „Sektparty“ auf Deck 8 – wir hatte den Mitarbeiter informiert. Warum wurde auch hier nicht eingeschritten. (Eine plausible Antwort blieb natürlich aus.)
Nicht mein Foto ist das Problem, sondern die Menschen, die meinen, sie können tun und lassen was sie wollen. Und Phoenix ist das Problem, weil keiner einschreitet, nur mit den Schultern zuckt und die Leute weiter machen lässt. Und genau so habe ich das Herrn Gruschka erwidert.
Ich schlug ihm vor, solche Dinge strikt zu fordern und nicht nur zu erbitten und er möge durchaus mit Sanktionen drohen, auch wenn es hierfür kaum eine Handhabe gibt.
Ich versprach, dass Foto vorerst aus Facebook wieder rauszunehmen und er sagte zu, in Zukunft mehr zu fordern als zu nur zu bitten.
Es gab bisher den ganzen Tag noch keine Infos über den Rückflug, das beunruhigt doch ein wenig. Aber gegen 19:00 Uhr bekamen wir unsere Pässe zurück, was wir als sehr positives Signal werteten. Und kurz darauf wurde bestätigt, dass 4 Maschinen von Condor uns ausfliegen werden und zwar übermorgen um 17:00 Uhr die erste Maschine, die nächste um 18:00 Uhr und die beiden Letzten ebenfalls mit einem Abstand von jeweils einer Stunde.
Gleich am Morgen eine Durchsage des Kreuzfahrtdirektors, er bittet alle Passagiere aus gegebenen Anlass in den Kabinen zu bleiben und nicht im Schiff oder auf Deck herumzulaufen. (Es gab immer noch beratungsresistente Passagiere.) Er hatte leider wieder nur freundlich gebeten.
Noel, unser Kabinensteward in Schutzkleidung. Er übergab frische Handtücher und nahm den Müllbeutel mit.
Nach dem Frühstück wurde noch mal Fieber gemessen. Und wieder hatten einige Passagiere erhöhte Temperatur. Doris und ich waren fieberfrei.
Für den Nachmittag hatten sich erneut australische Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde angesagt, um bei den Passagieren mit Fieber Abstriche zwecks Corona-Test zu machen. Somit stellte sich bei dieser Information schon wieder die Frage, ob das eine Verzögerung für die Evakuierung des Schiffs bedeutete. Ja, die anstehende Aktion wurde nicht mehr als Heimreise, sondern als Evakuierung bezeichnet.
Für 15:00 Uhr hatten Phoenix und die Schiffsleitung eine kleine Zeremonie als Dankeschön an die australischen Behörden angesetzt. Hierfür wurden Phoenix-Fähnchen verteilt, die an den Fenstern der Kabinen der Holzklasse angebracht werden sollten beziehungsweise auf den Balkonen der sogenannten Gold- und Silberkabinen drapiert werden. Über die Außenlautsprecher ertönte die Europahymne, Beethovens „Ode an die Freude“.
Um 19:30 Uhr kam dann endlich die erlösende Aussage, dass unsere Flugzeuge sich jetzt auf dem Weg nach Perth befanden und dass wir morgen die Bordkarten bekämen.
Von Reservierungswünschen bat der Kreuzfahrtdirektor abzusehen.
Homeoffice!
Da während der letzten Tage jedermann kostenlosen Zugriff auf das ARTANIA-WLAN hatte, war ein arbeiten im und mit dem Internet beinahe unmöglich. Man brauchte manchmal eine Stunde und mehr, um sich überhaupt am WLAN anmelden zu können, um dann nach wenigen Minuten wieder rauszufliegen. Selbst in der Nacht war Geduld angesagt.
Bei Facebook wurde inzwischen auf eine australische Zeitungsmeldung hingewiesen. Der Premier von WA (West Australia) hätte in einem Interview bekannt gegeben, dass es weitere 46 Verdachtsfälle auf der ARTANIA gäbe (darunter auch einer der beiden Bordärzte), die jetzt genauer untersucht würden.
Hiervon gab es trotz der versprochenen offenen und ehrlichen Informationspolitik keine Aussagen der Phoenix-Reiseleitung.
Gestern trat in der Atlantik-Show-Lounge ein Bauchredner auf.
Heute Abend spielten noch einmal die Flower Power Men.
Diese Auftritte fanden allerdings ohne Zuschauer im Saal statt. Die beiden Shows wurden aber im Bordfernsehen übertragen.
Auch am heutigen Morgen gab es bei den diversen Durchsagen keine Information über die 46 neuen Fälle. Es wurde weder dementiert noch wurden sie bestätigt.
4 Koffer und 2 Taschen bleiben erstmal zurück und kommen hoffentlich irgendwann in Deutschland an. Phoenix will versuchen, ein Frachtflugzeug zu chartern.
Neu war für uns hingegen, dass wir lediglich ein Stück Handgepäck mitnehmen durften und nicht, wie ursprünglich gesagt, einen Koffer plus Handgepäck. Das löste jetzt keine Begeisterungsstürme bei uns aus, aber man muss halt damit leben. Also wurde etwas aus dem bereits gepackten Handgepäck (z.B. mein Laptop) in den Koffer verstaut, dafür schaffte es umgekehrt eine Hose aus dem großen Koffer in den Trolley.
Um 13:00 Uhr war es dann soweit, die Gruppe für den ersten Flieger wurde aufgerufen, sich in die Atlantik Show-Lounge zu begeben. Zu dieser Gruppe gehörten auch Doris und ich. Böse Zungen würden behaupten, man wolle uns so schnell wie möglich loswerden. Aber vielleicht war es ja auch nur Zufall oder Glück. Von der Show-Lounge sollten wir geordnet vom Schiff in die Transferbusse geleitet werden, die uns dann zum Flughafen nach Perth bringen würden.
Leider verzögerte sich das Geleit nach draußen um 4 Stunden, denn die Flieger waren alle noch in der Luft. Und erst wenn ein Flieger gelandet sei, durften die hierfür vorgesehenen Passagiere die Transferbusse besteigen, so hatte es der Behörd beschlossen und verkündet.
Während dieser 4 Stunden kam es zum für mich emotionalsten Moment dieser Reise. Um 15:30 Uhr erschien der Bordarzt Dr. Roeske und verkündete, dass 31 Passagiere Symptome aufwiesen und deshalb nicht nach Deutschland reisen durften. Vielmehr sollten sie in Australien in Quarantäne verbracht werden. Je nach Schwere der Symptome könne das eine Einweisung in ein Krankenhaus, eine Unterbringung in einem Hotel oder in einer staatlichen Einrichtung, wie z.B. einer Kaserne, bedeuten.
In unserer Gruppe für das erste Flugzeug, wir waren ca. 200 Leute, wurden jetzt 9 Personen namentlich aufgerufen, mit der Bitte die Lounge zu verlassen und sich wieder auf ihre Kabinen zu begeben. Man hätte eine Stecknadel fallen hören.
Was mag in diesem Moment in diesen Menschen vorgegangen sein, so kurz vor dem Abflug nach Hause eine derartige Arschkarte gezogen zu haben?
Irgendwann ging es dann tatsächlich los. Penibel auf den 2-Meter-Abstand achtend, begaben wir uns die Gangway hinunter. Unsere Pässe wurden kontrolliert und wir durften die Busse besteigen.
Im Konvoi wurden wir die 30 Kilometer nach Perth zum Flughafen gebracht. Vorne weg ein Polizeiauto mit Blaulicht, fuhren wir bei zügigem Tempo und grüner Welle auf der gesamten Strecke direkt aufs Rollfeld und bestiegen unsere Condormaschine, eine Boeing 767-300ER.
Die Sitze waren sehr eng, Beinfreiheit ein absolutes Fremdwort. Die Chefstewardess erkläre uns, dass es sich nicht um einen normalen Flug, sondern um eine vom Bundesaußenministerium organisierte Rückführung handele. Auf Grund der derzeitigen Lage gäbe es auch keinen Service, wie Kaffee und sonstige Getränke. An jedem Sitz hing eine Tüte mit 2 Sandwiches, einem Apfel und einem Schokoriegel und 2 Flaschen Wasser. Das nur zur Information, denn auch mit diesen Einschränkungen bezüglich Sitz und Verpflegung kann man 20 Stunden leben und locker übeleben. Nicht dass sich jemand aufgefordert fühlt, auf Facebook zu schreiben: “ Du meckerst wieder auf hohem Niveau. Sei froh, dass Du heimgeflogen wirst.“
Ja, ja, ich bin ja froh; aber ich berichte halt auch sehr ausführlich, sowohl über mein Frohsein als auch über mein Nichtfrohsein.
In Phuket wechselte die Crew, der Flieger wurde aufgetankt und nach einer Stunde waren wir wieder in der Luft. Noch 11 Stunden bis Frankfurt.
Nachdem wir so gegen 8:00 Uhr (deutsche Zeit) in Frankfurt gelandet waren, kamen erst einmal vier Mitarbeiter des Gesundheitsamtes an Bord, um uns in Augenschein zu nehmen und zu fragen, ob wir irgendwelche Beschwerden, wie Fieber, Gliederschmerzen oder Halsweh hätten.
Nachdem niemand etwas derartiges verspürte, durften wir aussteigen. Immer nur 4 Reihen auf einmal, erst dann wurden die nächsten vier Reihen aufgerufen, das Ganze von vorne nach hinten. Das war aber kein Grund, der Aufforderung Folge zu leisten, solange auf den Sitzen zu verweilen, bis die Reihe aufgerufen wurde. Nein, in den Gängen, auch in den Hinteren, herrschte das übliche Gewusel, das entsteht, sobald das Flugzeug seine Parkposition erreicht hat, egal ob die Türen schon offen sind oder nicht. Loriot hat dieses sonderbare Verhalten wunderbar in einem seiner Filmsketche treffend glossiert.
Jetzt erwies es sich als großer Vorteil, kein Gepäck zu haben, denn wir konnten, ohne am Gepäckband zu warten, direkt dem Ausgang zuströmen. Dort waren Phoenix-Mitarbeiter postiert, die den Leuten den Weg zu den Sonderbussen zeigten, die sie weiter ins Ruhrgebiet, nach Süd- und Norddeutschland, in die Schweiz und nach Österreich bringen sollten.
Wir selbst brauchten diesen Service nicht zu nutzen, denn die knapp 20 Kilometer nach Hause wollten wir mit dem Taxi bewältigen. Am Taxistand bekamen wir zum ersten Mal mit, was die Corona-Pandemie für Auswirkungen hat. Dort, wo sonst Dutzende Taxis warteten, stand ein einziger Wagen einsam da und wartete auf Fahrgäste.
In einer Viertelstunde waren wir zu Hause und wieder war es von Vorteil, dass unsere 5 Koffer noch in Australien verweilten. Wir brauchten nicht groß auszupacken.
Wie uns aufgetragen, meldeten wir uns sofort bei unserem zuständigen Gesundheitsamt des Main-Taunus-Kreises in Hofheim. Wir wurden nicht, wie eigentlich erwartet, in die häusliche Quarantäne geschickt. Da wir nicht mehr zu arbeiten brauchen, genügt es, die üblichen Vorsichtsmaßnahmen zu beachten:
- Abstand halten,
- Kontakte vermeiden, wo es geht,
- beim Einkaufen Mundschutz tragen,
- Händewaschen, Händewaschen und Händewaschen.
Das war’s dann erst mal mit der Weltreise.
Ob wir noch mal eine Kreuzfahrt machen werden? Ein ganz klares „Ja“, wenn die Zeiten wieder normal sind. Und zwar wieder mit Phoenix, wenn sie diese Zeiten wirtschaftlich überleben sollten. Ja, Phoenix hat die ein oder andere Macke, aber die ARTANIA ist für uns das beste Kreuzfahrtschiff, das auf den Meeren rumfährt und mit den paar Macken können wir leben.
Dem Kapitän und dem Kreuzfahrtdirektor wurde bereits auf Facebook in der Artania-Gruppe zahlreich und ausgiebig gedankt für ihren Einsatz, uns sicher nach Deutschland zu bringen. Diesem Dank schließen wir, Doris und ich, uns gerne an. Aber ich möchte auch nicht die Phoenix-Mitarbeiter in der Zentrale in Bonn vergessen, die sicherlich Tag und Nacht gerödelt haben.
Unser Dank gilt aber vor allem der Crew. Bis zu unserer Ausschiffung wussten sie nicht, wie es für sie weitergeht. Aber sie haben, ohne sich etwas anmerken zu lassen, ihren Job gemacht. Nur wenn wir sie gefragt haben, merkten wir, wie verunsichert sie tatsächlich waren. Aber zu uns waren sie bis zuletzt freundlich und zuvorkommend und haben auch ohne zu murren Sonderwünsche erfüllt, z. B. Doris ab und an mit Kaffee versorgt.
Ich denke, dass auch die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes Großartiges geleistet haben. Ihnen ist sicherlich zu verdanken, dass letztlich alle notwendigen Genehmigungen durch die australischen Behörden erteilt wurden, so dass wir ausreisen konnten.
Angekommen in Frankfurt Airport wurde ich noch kurz interviewt
bevor wir dann mit dem Taxi endgültig nach Hause fuhren.
Hier endet der Blog!
Ich habe mich über das große Interesse sehr gefreut.
Das Gästebuch ist nach wie vor für Ihre Einträge, Bemerkungen und Kritiken offen.
Dann bis vielleicht zum nächsten Mal.
Peter und Doris
Am 14.3.2020 wurde die Entscheidung der Reederei bekannt gegeben, die Weltreise abzubrechen.
Näheres hier: Abbruch der Weltreise durch Phoenix
Vom 26, März 2020 bis zum Evakuierungsflug am 29. März gab es ständig neue und wechselnde Informationen. Sobald eine neue Info bekannt wurde, habe ich sie in einem "Extra-Beitrag" sofort hier im Blog Online gestellt, fast wie in einem Liveticker,
Diesen "Extra Beitrag" findet man hier!
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